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Bestattung im Wandel der Zeit

Als mein Großvater starb, war ich gerade mal 6 Jahre alt. Mit meiner Mutter stand ich vor dem offenen Grab unserer Familie und hielt krampfhaft ihre linke Hand fest.
Ich hatte Angst, in das große Loch zu fallen, in das vorher der Sarg mit meinem so geliebten Großvater hinabgelassen worden war. Zitternd stand ich da, während meine Mutter von einem Mann ein Schäufelchen mit Erde entgegennahm und diese mit leichtem Schwung auf den Sarg hinab warf.

Heute bin ich selbst Großvater und die Szene, die ich da immer noch vor meinem geistigen Auge sehe, als wäre sie gerade mal ein paar Tage her, ist heute Geschichte.

Was vor 60 Jahren noch gängige Praxis war, hat heutzutage Seltenheitswert. Es ist nicht einmal klar, ob meine Enkel überhaupt an einem Grab stehen werden, wenn mich das Zeitliche gesegnet haben wird. Denn nichts ist mehr so wie früher.  Oder richtiger gesagt: Fast nichts.

Das einmal so gängige Wort von der Beerdigung oder dem Begräbnis hat an Bedeutung verloren. "Erde" und "Begraben", wie sie in den beiden Worten stecken, spielen keine alleinige Rolle mehr, wenn es darum geht, die Stätte der letzen Ruhe zu finden. Begraben findet nicht mehr unbedingt statt. Es gibt andere Formen. Man spricht daher jetzt lediglich von der Bestattung.

Die Entwicklung unserer Bestattungskultur hat in den letzten Jahren - wie so vieles in unserem Leben - eine rasante Wandlung durchgemacht. Sie reicht von der Sargbestattung im Einzel- oder Familiengrab oder in einem  Sargfeld bis hin zur Luftbestattung.
Sperrte sich beispielsweise die katholische Kirche noch vor der Jahrtausendwende, einer Urnenbestattung ihren Segen zu geben, so ist das heute kein Thema mehr. Mangelnder Platz für Friedhofserweiterungen in den Kommunen und der Umstand, dass die Krankenkassen kein Sterbegeld mehr bezahlen, förderten den Trend weg von der Sargbestattung hin zur Einäscherung mit anschließender Urnenbestattung im Kolumbarium des heimatlichen Friedhofes.
Mehr als die Hälfte aller Bestattungen sind heute Urnenbestattungen. Die Kommunen tragen dem Wunsch der Menschen nach diese Bestattungsform vielfältig Rechnung und bieten neben der Nischenbestattung auch Bestattungen in so genannten Urnenfeldern an, was durchaus auch auf Wunsch anonym geschehen kann. Nur im kommunalen Kataster ist dann vermerkt, wer wo seine letzte Ruhestätte gefunden hat.

Es gibt aber noch weitere Formen der Bestattung, die den Hinterbliebenen ebenso keinerlei Grabpflege mehr abverlangen. Etliche Kommunen haben so genannte Streuwiesen eingerichtet, auf denen an bestimmter Stelle die Asche des Verstorbenen ausgestreut wird. Wahlweise zeugt ein Täfelchen mit den vermerkten Lebensdaten des Verstorben von der Bestattung, die man in dieser Form auch in einem so genannten Friedwald vornehmen lassen kann. Hier wird die Asche dann unter einem Baum verstreut, den die Angehörigen vorher käuflich erworben haben müssen.
Die FriedWald-Bestattung hat den Vorteil, dass sie nicht auf die Einwohner einer Kommune begrenzt ist, wie das ansonsten in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben ist - es sei denn, man besitzt in einer Gemeinde ein Familiengrab, das man dann auch als "Ortsfremder" nutzen kann - die Bestattung gewissermaßen als eine Art der Familienzusammenführung.

Alles aber ist in Deutschland noch nicht möglich. Was im in Frankreich handelnden, oscargekrönten Film "Chocolat" mit Juliette Brioche und Jonny Depp gesehen, wo die Hauptdarstellerin beim Umzug mit dem Koffer in der Hand die Treppe hinunterstürzt und dabei die Urne herauspoltert und die Asche ihrer verstorbenen Mutter verstreut wird, ist hier zu Lande noch nicht möglich. Keine Urne zur Erinnerung an einen Lieben auf dem Beistelltischchen im Wohnzimmer! In Deutschland gilt Bestattungszwang.
Das schließt aber nicht aus, dass auch den Menschen, die zu Lebzeiten beispielsweise ein besonderes Verhältnis zur See entwickelt haben und gerne dort ihr letzte Ruhestätte finden wollen, ihr letzter Wille problemlos erfüllt werden kann.

Bei der Seebestattung wird vom Bord eines Schiffes aus die Asche im Meer verstreut. Und selbst der Himmel oder gar der Weltraum sind heute als Ort der Bestattung nicht mehr tabu. Ob per Flugzeug oder Weltraumrakete - für die Angehörigen eines Verstorbenen ist einzig die Frage nach dem hinter lassenen Vermögen entscheidend. Getreu dem Motto: Sein Wille geschehe!